Vom 29. Mai bis zum 27. Juni 2015 fand in den frisch renovierten Räumen der Chile
Freundschaftsgesellschaft Salvador Allende e.V. eine Ausstellung
der Künstlerinnen und Künstler der Gruppe tendenzen Berlin statt. Es beteiligten
sich Regina Brandt , Bärbel Brede, Michael Chrapek, Joachim Geserick, Marco Schaub
sowie Dr. Irmgard Voelz. Ula Richter aus Dortmund konnte aus terminlichen Gründen
leider nicht teilnehmen.
Trotz einer finanziell noch nicht gesicherten Situation, was die Anmietung der
genannten Räumlichkeiten betrifft, war diese Ausstellung der Gruppe tendenzen Berlin
ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: Es wurde Hoffnung gestärkt, dass eine
schwierige Lage mit vereinten Kräften leichter zu bewältigen ist, und die Übereinstimmung
erzielt, dass engagierte, demokratische Kunst in die Öffentlichkeit gehört!
Daher war die Stimmung sowohl bei Gästen als auch den Kunstschaffenden während der
Vernissage und auch der Finissage von Optimismus, Vergnügen und vielen interessanten,
anregenden Gesprächen geprägt. Der Autor Konstantin Brandt gab in seiner Laudatio einen
kurzen Überblick zu Idee und Konzeption der Gruppe tendenzen Berlin und stellte die
einzelnen Künstlerpersönlichkeiten vor. Gemäß ihrer Hauptmotivation, sich künstlerisch
politisch zu artikulieren, stellte die Mehrzahl gesellschaftspolitische Themen dar. Ein geeignetes
Stilmittel, die Komplexität der von Konflikten beladenen gesellschaftlichen Ereignisse
angemessen künstlerisch zu gestalten, ist die formale Umsetzung in einem Simultanbild.
Dies konnte man in unterschiedlichsten Variationen betrachten.
Grundkonsens aller Beteiligten: Mit jeder Menge Einfallsreichtum und Empathie Kunst zu
entwickeln und zu schaffen, die als Waffe gegen immer aggressivere Kriegspolitik und
als Mittel für Humanität im Umgang mit anderen Völkern und besonders gefährdeten Menschen
wirksam sein muss. Die
Gruppe versteht sich allerdings nicht als Kollektiv. Um der künstlerischen Freiheit des
Einzelnen möglichst viel Raum zu geben, gestaltet jede, jeder seine Ideen danach, was ihm
am meisten unter den Nägeln brennt. Authentizität ist besonders wichtig, wenn Kunstwerke
überzeugen sollen. Besonders spannend und originell waren in dieser Ausstellung die
einzelnen Exponate wegen ihrer unterschiedlichen Motivwahl und individuellen Malstile.
Beispielhaft seien hier einige Werke hervorgehoben:
Regina Brandt zeigte Pastelle und ein Ölbild mit Landschafts- und Blumenmotiven.
Irmgard Voelz präsentierte zwei collagierte Ölbilder von zwei Frauen, die sie wegen
ihres Mutes und Engagements stark beeindruckt hatten. Eins zeigt eine Frau, die obdachlos
in den Straßen New Yorks lebt, während sie sehr klein in einem alten Sofa vor Hochhäusern
Manhattans zwischen ihren Habseligkeiten kauert und in Ruhe Bilder malt. Diese vermeintliche
Idylle wird gestört, weil im Hintergrund, mit dem Kopf nach unten, die amerikanische
Freiheitsstatue hängt, Freiheit - für wen?
Marco Schaub aus Gera, das jüngste Mitglied der Gruppe, fängt aktuelle Geschehnisse
kritisch, teilweise gar sarkastisch ein. Seine Bilder „Mörder vom Maidan” oder
das des Attentats an den drei Kurdinnen in Paris sind heftige Anklagen. Interessant und
bemerkenswert an seinem fast spielerischen Malstil sind sowohl seine Spontaneität wie auch
die frischen, lebenslustigen und kontrastreichen, teilweise ungemischten Farben, die die
Ernsthaftigkeit in seiner Kritikaussage zu konterkarieren scheinen.
In ihrem großformatigen Ölgemälde mit dem Titel „Pasiphaë - erst wenn wir ins alle sind,
weht keine Asche mehr im Wind” transponiert
Bärbel Brede eine tragische Geschichte
aus der griechischen Mythologie als Metamorphose in die Gegenwart und stellt sie in den Fokus des
bildnerischen Geschehens. Nach einem Zitat des Kabarettisten Hanns-Dieter Hüsch assoziiert
sie dazu in Bildsequenzen Szenen des aktuellen politischen Wahnsinns. Menschliche Schicksale,
der Einsturz des Rana Plaza in Bangladesh, die panische Flucht aus zerstörter Heimat, Hunger
und das Ertrinken vor Europa, jedoch auch Hoffnung auf ein friedliches, unversehrtes Leben
werden hier in chromatischen Pastelltönen feinnervig vermittelt.
Michael Chrapek experimentiert in unterschiedlichen Techniken. In einem seiner Bilder
entwirft er mit pastosen, frischen Farben und nahezu abstrakt seine Komposition, „Musik
als Frieden stiftendes Element”.
„Wir Kinder wollen keinen Krieg”, so betitelt
Joachim Geserick eins seiner
Acrylbilder. Sein Motiv bezieht sich auf eine Szene der Aktion „Einfallspinsel”
der Gruppe tendenzen, bei der Kinder anlässlich eines Sommerfestes der DKP Berlin zu diesem
Thema Bilder gemalt haben. Rund um den „Heile-Welt-Kinder-Maltisch” erkennt man
Elemente aus Lebens(Migrations-)hintergründen der abgebildeten Kinder. Im Vordergrund fliegt
eine Friedenstaube in Richtung Drohnen, die das Leben der Kinder bedrohen. Wer genau hinsieht,
kann im Dunkel des Himmels Gestirne entdecken – ein Plädoyer des Künstlers, die Einmaligkeit
unseres Planeten und die wunderbare Entwicklung allen Lebens zu achten und zu schützen.
Die Ausstellung war eine gelungene Veranstaltung, darin waren sich alle einig.
Die Mitglieder der Gruppe tendenzen Berlin treffen sich einmal monatlich, um zu zeichnen, sich
über Aktuelles auszutauschen und weitere Aktionen wie Gruppen- und Einzelausstellungen zu
planen. Bewerbungen können gern eingereicht werden - oder einfach mal vorbeischauen: Gäste
sind herzlich willkommen! Geplant sind auch so genannte ARTeliergespräche zu Theorie und
Praxis demokratischen Kunstgeschehens. Es wird spannend!
Bärbel Brede
Teltow, im Juli 2015